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Foliant 9 - Crescendo ist der Foliant zum neunten Spalt in Dead by Daylight welcher am 20. Oktober 2021 veröffentlicht wurde.

Überblick[ | ]

Die Charaktere dieses Folianten sind Yun-Jin Lee und Ji-Woon Hak aka Der Trickster.

Tagebucheinträge und Erinnerungen[ | ]

Yun-Jin Lee: Chor der Lügen[ | ]

ERINNERUNG 443[ | ]

IconHelp archivesLog Müde nach dem langen Flug gähnt Yun-Jin, als sie ihren Laptop aufklappt. Sie landete vor zwei Stunden in Rio de Janeiro, aber die Arbeit kann nicht warten. In ihrem Posteingang sind ein Dutzende ungelesene Nachrichten von einem unbekannten Nutzer, der sie mit ihrem Namen anspricht. Nur wenige kennen sie als Yun-Jin. Die meisten kennen sie nur als Magnum Opus. Sie klickt auf eine E-Mail.

Eine grafische, detaillierte Beschreibung von jemandes Plan, sie und den Trickster umzubringen. Der größte Fan des Tricksters hat unterschrieben. Eine Todesdrohung. Eine unnatürlich genaue mit einem Bild von ihr in der Hotellobby.

Vor dem Tod von NO SPIN hat sie solche Drohungen ignoriert. Aber jetzt ... zittert ihre manikürte Hand, als sie nach dem Handy greift.

Die Drohung ist zu ernst, um sie auf die leichte Schulter zu nehmen. Sie ruft ihre Sicherheitscrew an und vereinbart eine Notsitzung. Nur für Aufnahmen und Konzertproben darf man sich hinaus begeben. Ein Bodyguard wird dem Trickster und ihr zugewiesen.

Alle halten sich an die neuen Regeln, bis auf den Trickster, der nicht auf dem Hotelgelände bleiben möchte. Kaum überraschend. Ihre Beziehung zum Trickster ist schon seit Monaten auf einem Tiefpunkt. Er stellt sich gegen jede Entscheidung, die sie trifft. Sein Ego stellt ihre Geduld auf eine harte Probe. Wegen ihrer häufigen kreativen Meinungsverschiedenheiten liegen sie mit dem nächsten Album hinter dem Zeitplan und sie muss drei neue Songs produzieren, während sie die Tour im Blick behält.

Ihr Sicherheitsexperte bestätigt, dass die Handys bereit sind. Auf ihre Bitte wurde eine Tracking-GPS-Anwendung auf allen Firmenhandys installiert. Niemand sonst weiß davon. Wenn der Trickster sich ihr weiterhin widersetzt, wird diese App praktisch werden. Es ist zu seinem Besten. Und zu ihrem.

ERINNERUNG 444[ | ]

IconHelp archivesLog Yun-Jin gießt sich eine Tasse Kaffee im Tonstudio ein und unterdrückt ein weiteres Gähnen. Ihre Schläfen pochen. Der Jetlag hat sie voll erwischt. Die ständige Bedrohung durch einen verrückten Fan hält sie noch dazu vom Schlafen ab.

Auf dem Weg zurück in ihre Kabine bemerkt sie, dass das Studio neben ihnen auch besetzt ist. Sie riskiert einen Blick hinein. Ein junger Mann lacht in der Kabine. Er hat ein lockeres Grinsen, das Tausende Zeitschriften verkaufen könnte. Sie erkennt den Mann am Mischpult: Allano Muse, ein nicht unbekannter Produzent aus San Diego.

Was macht er in Rio? Ein wenig neuer Klatsch könnte ihre Energiereserven wieder auftanken. Sie klopft auf das Fenster in der Tür.

Die Tür öffnet sich knarrend.

Er erinnert sich natürlich an sie. Wer könnte Magnum Opus vergessen?

Sie tritt unaufgefordert ein, als er das Lied abspielt, an dem er arbeitet. Ein langsamer, vorhersehbarer Aufbau der Grundlinie. Formelhaft. Zu sicher, um interessant zu sein. Dann erfüllt eine himmlische Stimme den Raum. Yun-Jin verschüttet beinahe ihren Kaffee. Die Stimme des Künstlers ist kristallklar. Sein Tonumfang ist stark und doch differenziert.

Wer ist das?

Allano bittet Lucas, den jungen Künstler, die Tonlage ein wenig zu senken. Schlechter Rat. Das Lied sollte Lucas’ Tonumfang unterstreichen, anstatt ihn auf einen langweiligen, typischen Sound zu beschränken. Sie geht auf Lucas zu und gibt ihm ihre Visitenkarte.

Melde dich, wenn du bereit bist, ein wahrer Künstler zu werden.

Eine Welle der Reue erfasst sie auf dem Weg nach draußen. Genau diese Worte hatte sie vor vielen Jahren zum Trickster gesagt. Damals hatte sie sich darauf gefreut, mit ihm zu arbeiten.

Diese Tage sind lange vorbei.

ERINNERUNG 445[ | ]

IconHelp archivesLog An der Hotelbar nippt Yun-Jin an ihrem kalten Caipirinha. Der Zuckerrohrlikör gleicht die saure Limette aus.

Warum hat sie diesem jungen Künstler Lucas ihre Visitenkarte gegeben? Sie kann ihn doch sowieso nicht unter Vertrag nehmen. Eine weitere Welle der Nostalgie. Ein weiterer Schluck vom Caipirinha. Sie vermisst es. Die Jagd nach neuen Talenten. Das rohe, kreative Chaos beim Erschaffen eines kühnen Sounds. Der Adrenalinrausch des ersten Albums. Die Dinge sind jetzt anders. Ihre Zeit ist geteilt zwischen dem Umgang mit dem wachsenden Ego des Tricksters und dem Folgen eines typischen, endlosen Produktionszyklus.

Ist das der Preis des Erfolgs? Musik zu produzieren, die sie erschaudern lässt? Ganz zu schweigen von den Diskussionen über Bodyguards und Ausgehverbote, während man von einem verrückten Psycho-Fan bedroht wird.

Ihr Leben ist nicht so, wie sie es sich als kleines Mädchen vorgestellt hatte. Damals war die Musik das einzig Gute, das sie hatte. Sie erschuf Lieder in ihrem Schlafzimmer und stellte sich eine hell erleuchtete Bühne vor, auf der sie sicher, laut und frei war. Das ist Popmusik für sie: eine lebenswichtige Dosis dreister Befreiung. Aber nun lebt sie dank ihres Erfolgs in einem goldenen Käfig.

Hinunter mit dem Caipirinha.

Der Barkeeper sieht sie an und sie nickt. Mehr davon.

Sie ruft die Manager von Mightee One zu einem virtuellen Meeting und überbringt ihnen die Neuigkeiten. Sobald sie die drei Lieder in Rio aufgenommen haben, will sie nichts mehr mit dem Trickster zu tun haben. Sie wird die Neuen unter ihre Fittiche nehmen.

Ein Manager von Mightee One unterbricht sie. Sie haben wichtigere Angelegenheiten zu besprechen. Schädigende Gerüchte machen online die Runde. Ein gestörter, wahnsinniger Fan behauptet, jemanden bei einem Trickster-Konzert umgebracht zu haben. Yun-Jin macht eine Faust, ihre langen, manikürten Nägel graben sich in ihre Handfläche. Alles, damit ihre Hände nicht zittern.

Sie wird sich um diesen Mediensturm kümmern – für ihre Marke. Aber nach Rio will sie nichts mehr mit dem Trickster zu tun haben. Ob Mightee One das will oder nicht.

ERINNERUNG 446[ | ]

IconHelp archivesLog Gerüchte über den Mord machen online die Runde. Laut eines anonymen Beitrags wurde das Opfer zuletzt beim VIP-Meeting des Tricksters nach dem Konzert in New York Anfang des Jahres gesehen. Yun-Jin erinnert sich an diesen Abend. Nicht wegen des Konzerts, sondern wegen eines Details, das sie seither nicht mehr vergessen konnte. Blutende Kratzspuren auf den Unterarmen des Tricksters, als er zur Afterparty des Konzerts kam. Die Online-Gerüchte schüren den Verdacht, den sie vorher unterdrückt hat.

Vor Jahren erreichten sie und der Trickster Miami einige Tage vor der geplanten Ankunft. Yun-Jin ging auf Networking-Events, während der Trickster probte. Drei Tage nach ihrer Ankunft wurde ein Folksänger tot in der Downtown in der Nähe der Bar gefunden, wo er auftrat. Die Aufnahme einer Überwachungskamera wurde öffentlich gemacht, die einen schwarz gekleideten Mann mit verdecktem Gesicht zeigte, der den Sänger eine Gasse entlang führte. Das dunkle, verschwommene Bild gab wenig vom Verdächtigen preis. Aber Yun-Jin fiel ein Detail auf, bei dem es ihr den Magen zuschnürte. Sie erkannte die Kopfhörer mit Goldrand um den Hals des Verdächtigen mit zwei großen X, eines pro Ohr. Es war das brandneue Modell der Xerxes 1050x-Kopfhörer, von denen nur wenige Musikliebhaber wussten und die sich noch weniger leisten konnten. Sie erkannte das Modell sofort, da der Trickster diese Marke anderen teuren Modellen vorzog. Er hatte ein ähnliches Paar im Flugzeug nach Miami getragen, hatte dann aber für den Rest der Tour ein schlechteres Modell getragen, was ihre Zweifel nur steigerte.

Damals ging es ihr aber nicht gut. Der Tod von NO SPIN war noch frisch. Ständige Schlaflosigkeit benebelte ihren Verstand und der Jetlag der Tour verschlimmerte diesen Zustand noch. Am Ende beschloss sie, die Polizei ihre Arbeit machen zu lassen und sich auf die ihre zu konzentrieren: Musik zu produzieren. Aber nun war jemand anderes tot, jemand, den der Trickster vielleicht zum letzten Mal lebend gesehen hatte. Die Kopfhörer, die Kratzspuren und die spätabendlichen Ausgänge waren nur kleine Details, aber zusammen ergaben sie ein Bild.

Wie viele Zufälle braucht es, bis man es weiß?

Ein Klopfen an der Tür erschreckt sie. Der Sicherheitschef ist da. Yun-Jin hört auf ihr Bauchgefühl. Sie konfrontiert ihn. Sie gibt vor, den gesamten Sicherheitsdienst zu feuern, wenn er es nicht zugibt. Es lohnt sich. Sie erfährt, dass der Trickster das Hotel letzte Nacht verlassen hat. Sein Bodyguard versuchte, ihm zu folgen, hat ihn aber verloren.

Yun-Jin schlägt mit ihrer Faust auf den Tisch.

Warum würde er das Hotel verlassen? Wohin wollte er? Und ... was wollte er tun?

Obwohl sie jahrelang mit dem Trickster zusammengearbeitet hat, ist er ein Fremder für sie. Auch wenn er für unglaubliche Einnahmen sorgt, hat er seinen Preis. Wenn der Trickster mit einem Mord zu tun hat, dann sie auch. Selbst wenn es keine Beweise gibt. Selbst wenn es nur Gerüchte sind. Ihr Leben steht auf dem Spiel. Ihre gesamte Karriere. Sie wird vielleicht nie wieder Musik produzieren. Und das Schlimmste daran ... sie ist selbst schuld. Sie sollte es besser wissen und niemandem in dieser Branche vertrauen.

Sie braucht Antworten, bevor es zu spät ist. Was auch immer der Trickster abends tut, sie muss es herausfinden. Ihre Zweifel sind erst still, wenn sie es mit Sicherheit weiß.

ERINNERUNG 447[ | ]

IconHelp archivesLog Yun-Jin lässt ihren Sicherheitsmann während der Probe des Tricksters zurück. Was sie vorhat, ist schließlich nicht ganz legal.

Sie zeigt dem Mann an der Tür ihr VIP-Schild und betritt die Umkleidekabine des Tricksters. Vielleicht kann sie hier etwas finden, das ihr einen Hinweis darauf gibt, was der Trickster vorhat. Zwischen den auffälligen Kostümen sucht sie einen Hinweis: Rechnungen, Notizen, Bilder. Sie findet nur eine Sporttasche.

Darin liegen eine Wasserflasche, ein paar T-Shirts und seine Geldbörse. Keine Rechnungen und nichts Interessantes in seiner Geldbörse ... bis auf die Schlüsselkarte für sein Hotelzimmer. Vielleicht sucht sie am falschen Ort. Ein lautes Gespräch neben der Tür lässt sie aufhorchen. Sie nimmt sich die Schlüsselkarte und schließt die Tasche in dem Moment, als die Assistentin des Tricksters hereinkommt.

Yun-Jin unterdrückt ihr pochendes Herz und setzt beim Hinausgehen eine gelassene Miene auf. Was die Assistentin auch gesehen hat, sie wird nicht wagen, es zu erwähnen, zumindest niemandem gegenüber, der wichtig ist.

Yun-Jin bleibt erst stehen, als sie das Hotelzimmer des Tricksters erreicht hat, die Schlüsselkarte in der Hand. Wenn sie es tut, gibt es kein Zurück mehr. Aber wenn der Trickster etwas verbirgt, muss sie wissen, was es ist, bevor es alle anderen tun. Bevor es ihr Leben zerstört. Es darf keine Zweifel geben. Yun-Jin öffnet die Tür.

***

Das Zimmer des Tricksters ist aufgeräumt. Fast, als würde er kaum Zeit hier verbringen. Sie durchsucht sein Gepäck. Ein Stapel seltsamer Kleidung. Schwarze Hoodies und Jogginghosen. Eine schwarze Maske. Kleidung, die sie ihn auf der Tour noch nie tragen gesehen hat.

Ein Klopfen an der Tür.

Zimmerservice. Yun-Jin lässt die Maske fallen. Kommen Sie später wieder.

Sie findet nichts Seltsames im Zimmer, bis auf den seltenen Spitzensampler auf seinem Nachttisch. Neugierig spielt sie ihn ab. Eine Reihe lauter, heftiger Schreie erfüllt den Raum. Die Schreie klingen ... echt. Aufnahmen aus einem Horrorfilm?

Aber sie kann ihren ursprünglichen, beunruhigenden Gedanken nicht abschütteln. Was, wenn sie ... echt sind?

Ihr nächster Fund steigert ihr Unbehagen noch. Ein Wetzset für Messer. Schleifsteine und Reinigungsmittel. Eine ganze Sammlung von Schärfwerkzeugen.

Eine Unterhaltung, die sie im Tonstudio mitgehört hat, wird in ihrem Kopf noch mal abgespielt. Lucas, der junge Künstler, stellt sich beim Trickster vor und fragt ihn nach dem auffälligen Messer in seiner Hand. Der Trickster antwortet, dass er immer eine Klinge bei sich trägt.

Yun-Jin hebt einen Wetzstein auf. Warum würde man eine Bühnenrequisite schärfen? Ja, der Trickster hat echte Messer für seine Tricks als Junge verwendet, aber das ist nicht mehr nötig. Die Besessenheit mit Messern ist nicht nur Show. Und warum sollte man ein Messer schärfen, das man nicht benutzt? Sie erschaudert.

Noch ein Geräusch an der Tür. Yun-Jin legt den Wetzstein hin.

Ich sagte, Sie sollen spä...

Der Trickster kommt ins Zimmer und überrascht sie. Ihre Blicke treffen sich.

Er ist nur das seltsame Kind, das ich vor Jahren unter Vertrag genommen habe. Ich werde mich von ihm nicht in den Abgrund ziehen lassen.

Seine Empörung trifft auf ihren Zorn. Yun-Jin nimmt den Sampler in die Hand.

Wo zur Hölle gehst du in der Nacht hin? Und was ist das für ein verrückter Horror-Scheiß? Was, wenn die Medien das in die Finger bekommen? Deine Karriere wäre vorbei.

Der Trickster seufzt und gibt zu, dass sein Geist nach dem Tod von NO SPIN an einen finsteren Ort gewandert ist. Er spricht selten von ihrem Tod und sie weiß, warum. Dieser Tag verfolgt sie immer noch in ihren Träumen. Die Zeit vergeht, aber die Schuldgefühle bleiben.

Yun-Jin sieht sein Handy auf dem Tisch.

Hol dir ein Getränk aus der Minibar, Trickster. Die heutige Probe ist abgesagt.

Sie behält den Sampler und erinnert ihn daran, bis zum Konzert im Hotel zu bleiben. Er nickt.

Gut. Damit ihre List aufgeht, muss er glauben, dass sie ihm vertraut.

ERINNERUNG 448[ | ]

IconHelp archivesLog Yun-Jin sieht aus ihrem Hotelzimmerfenster. Draußen regnet es unablässig und Blitzfluten überschwemmen Teile der Stadt. Sie ruft ihr Personal. Wie schlimm der Sturm auch ist, die Show muss weitergehen.

Aber die wachsende Anspannung in ihrer Magengrube liegt nicht am Wetter. Etwas stimmt mit dem Trickster nicht, eine Ahnung, die sie nicht länger ignorieren kann, egal, wie viel Geld er ihr einbringt. Auch wenn er aufrichtig erscheint, haben ihr die Jahre im Geschäft beigebracht, dass sie niemandem vertrauen kann.

Yun-Jin greift nach ihrem Handy und aktiviert den GPS-Tracker auf dem Firmenhandy des Tricksters. Seine Position wird als blauer Punkt auf der riesigen Karte von Rio angezeigt. Ihr Bauchgefühl hat sie nicht getäuscht. Er ist nicht mehr im Hotel.

Die Jagd beginnt. Zeit, dem Trickster einen neuen Trick beizubringen.

Yun-Jin wird vor der Position des Tricksters langsamer. Als sie sich nähert, rast plötzlich eine graue Limousine davon. Sie sieht auf ihr Handy. Der blaue Punkt entfernt sich auf der Karte. Der Trickster muss sich im Auto befinden, das gerade losgefahren ist.

Yun-Jin tritt auf das Gaspedal und rast davon. Nach einigen Kurven hat sie die Limousine erreicht, die nun scharf rechts abbiegt. Yun-Jin folgt ihr, reißt das Lenkrad herum, während sie auf die Bremse tritt. Ihr Auto driftet um die Kurve und gleitet auf eine erbärmliche, enge Gasse zu.

Die Limousine beschleunigt und schlittert nach links in eine enge Straße. Yun-Jin wiederholt ihr Manöver und driftet nach links. Aber die Räder haben keinen Grip auf dem überschwemmten Asphalt und sie verliert die Kontrolle über das Auto.

Ein donnerndes Krachen. Yun-Jins Kopf wird auf das Lenkrad geschleudert. Ein Blitz weißen Lichts. Dann folgt ein brennender Schmerz, der ihren Körper vom Hals bis zum unteren Rücken durchfährt.

***

Yun-Jin hustet und keucht vor Schmerzen. Einen Moment lang kann sie nur atmen. Wenn sie ausatmet, wird der Schmerz ein bisschen weniger. Lauter Rock dröhnt aus dem Radio. Er ist so laut. Sie greift nach vorne und dreht es geistesabwesend ab. Ein Fleck über ihrer linken Braue brennt. Sie greift sanft auf ihre Stirn und zuckt zusammen. Ein Tropfen Blut läuft ihren Finger hinab.

Die Windschutzscheibe ist auf der Beifahrerseite zerbrochen. Yun-Jin bewegt sich langsam und beugt sich vorsichtig vor.

Es ist in Ordnung. Alles ist in Ordnung. Mir geht es gut.

Sie sieht hinaus. Das Auto ist mit der Beifahrerseite gegen eine Straßenlaterne geknallt. Das hätte viel schlimmer ausgehen können.

Ein vertrautes Klingeln unterbricht ihre Gedanken. Ihr Handy. Yun-Jin beugt sich langsam nach vorne und sucht mit ihrer Hand unter dem Sitz. Sie greift nach ihrem Handy und entsperrt den Bildschirm. Eine SMS vom Trickster: „HILFE“.

Warum sollte er sie um Hilfe bitten ... wenn sie nicht etwas übersehen hat? Wenn nicht ... der Trickster derjenige ist, den sie verfolgt.

Yun-Jins Herz bleibt kurz stehen. Die Todesdrohung. Der größte Fan des Tricksters. Vielleicht hat der verrückte Fan von den nächtlichen Eskapaden des Tricksters erfahren und beschlossen, zuzuschlagen. Entführungen passen doch gut zu Morddrohungen.

Sie flucht. In ihrer Eile, den Trickster zu verfolgen, hat sie ihren Bodyguard zurückgelassen. Wenn dem Trickster, Ji-Woon, etwas zustößt und sie zu blind war, um es aufzuhalten ... Nein. Sie hat schon genug Schuldgefühle.

Yun-Jin richtet ihren Gurt. Sie startet das Auto an und der Motor hustet als Reaktion. Sie beißt die Zähne zusammen und versucht es noch mal.

Es wird nicht wie im Feuer sein. Ich werde ihn nicht aufgeben.

Sie startet das Auto erneut an. Und wieder. Beim dritten Versuch heult der Motor auf. Sie legt ihr Handy wieder auf das Armaturenbrett und folgt dem blauen Punkt.

ERINNERUNG 449[ | ]

IconHelp archivesLog Yun-Jin folgt dem GPS bis zu einem einsamen Parkplatz bei einigen verlassenen Lagerhäusern. Der blaue Punkt bewegt sich nicht mehr.

Hier ist es. Ji-Woon sollte hier irgendwo sein, aber wo?

Als Yun-Jin aus dem Auto steigt, fällt ein schwerer Vorhang aus Regen auf ihren wunden, zitternden Körper. Das Tageslicht wird von dunklen Sturmwolken verschleiert. Der Parkplatz ist voller kaputter Autos. Yun-Jin nutzt die Taschenlampe ihres Handys, um die graue Limousine zu finden. Als der Donner grollt, beleuchtet ihr Handy einen blutigen Handabdruck auf einem Autofenster. Sie eilt zur Tür und sieht hinein. Eine plötzliche verschwommene Bewegung. Sie öffnet die Tür.

Eine Ratte eilt aus dem Auto. Einige Gegenstände liegen auf dem Rücksitz: Ji-Woons Handy, ein Tuch und Seil ...

Yun-Jin schließt ihre kribbelnden Augen. Sie könnte zu spät sein.

Sie darf die Zeit nicht mit Weinen verschwenden. Wenn Ji-Woon noch am Leben ist, kann er jede Hilfe gebrauchen, die er kriegen kann.

Yun-Jin greift nach ihrem Handy und ruft die Polizei und dann ihre Sicherheitscrew. Was dieser verrückte Fan auch geplant hat, es hat hier ein Ende.

ERINNERUNG 450[ | ]

IconHelp archivesLog Grollender Donner. Yun-Jin taumelt durch den Regen, sucht einen Hinweis – eine Spur. Ein eisiger Wind peitscht ihren durchnässten Körper. Aber sie kann nicht aufhören. Nicht, bis Ji-Woon in Sicherheit ist.

Eine Ratte flitzt über eine Pfütze, auf der eine weiße Visitenkarte liegt. Yun-Jin hebt die blutige Karte auf und liest: MAGNUM OPUS, MUSIKPRODUZENTIN. Sie gehört ihr. Sie erschaudert, als sie erkennt, dass sie die Person, die Ji-Woon entführt hat, möglicherweise kennt.

Polizeisirenen heulen in der Ferne auf, aber sie weiß nicht, ob sie wegen ihr kommen oder für die Menschen, die vom Sturm überrascht wurden. Yun-Jin schreit Ji-Woons Namen, ruft verzweifelt über Sirenen und Donner. Dann hört sie einen Schrei von der anderen Seite des Parkplatzes, wo ein verlassenes Lagerhaus steht.

Sie eilt zum Lagerhaus und erreicht die breiten Tore. Eine Kette ist um die Klinken gewickelt und mit einem Schloss gesichert. In der Zwischenzeit erreicht die Polizei den Ort.

Ein brutaler Schrei dringt aus dem Lagerhaus.

Sie kann es sich nicht leisten zu warten. Was mit NO SPIN passiert ist, darf nicht noch mal geschehen. Nie wieder.

Sie hebt ein Bleirohr vom Boden auf und schlägt damit immer wieder gegen das Schloss.

JI-WOON! JI-WOON!

Das Schloss fällt ab.

Ji-Woon Hak: Missklang für die Toten[ | ]

ERINNERUNG 435[ | ]

IconHelp archivesLog Ji-Woon lebt inmitten der Geräusche Rio de Janeiros. Wasser spritzt in ein Becken. Die Räder eines Skateboards schleifen über Asphalt. Eine Rotbauchdrossel singt und ... die Stimme. Der engelsgleiche, himmlische Klang eines jungen brasilianischen Sängers schwebt durch ein offenes Fenster. Ji-Woon kennt den Mann. Lucas.

Er ist gut. Bei Weitem nicht auf meinem Niveau, aber trotzdem ein Diamant.

Seine Stimme ist der Pinselstrich, den Ji-Woon gesucht hat. Lucas war ihm praktisch in den Schoß gefallen. Der Brasilianer hatte in einem Tonstudio gesungen, das Ji-Woon besucht hatte.

Mit Lucas’ Stimme kann Ji-Woon Kunst machen. Ehrliche, quälende Kunst. Sanftes, entsetzliches Grauen.

Ji-Woon hat bereits ein Lagerhaus an einem verlassenen Hafen für den morgigen Auftritt vorbereitet. Selbst die banalsten Details erfordern seine Aufmerksamkeit. Die letzte Woche verbrachte er mit Konzertproben, dem Verschleiern seines bekannten Gesichts, der Überwachung seines Opfers, dem Annehmen anderer Identitäten, dem Kauf von Vorräten und dem Stehlen von Aufnahmegeräten. Alles, während er seinen Bodyguard bezahlte, damit er ihn in Ruhe ließ. Die banalen Details sind das, was die Herrlichkeit seiner Kunst noch erhöht.

Lucas wird in einem Tag sterben. Und es wird wunderschön werden.

ERINNERUNG 436[ | ]

IconHelp archivesLog Ji-Woon erstarrt, als er sein Hotelzimmer erreicht, dessen Tür einen Spaltbreit geöffnet ist. Leise hört er jemanden darin herumwühlen. So sei es. Er wusste, dass ein verrückter Fan eines Tages zu weit gehen würde. Wie könnten sie ihm auch widerstehen? Aber er ist bereit. Er wird sich verteidigen, den Eindringling auf opernhafte Geräusche überprüfen, wie eine spontane Arie, während er ihn mit einem Messer in seinem Bauch überrascht.

Er tätschelt das Messer, das über seinem Knöchel verborgen ist. Bereit. Er drückt die Tür auf, tritt leise auf den Teppich, hört den Eindringling um die Ecke und sieht ... Yun-Jin? Seine Managerin.

Wut trifft auf Wut.

Wie kannst du es wagen, hier einen Fuß hereinzusetzen!

Wo zur Hölle warst du?

Sie ist paranoid wegen Todesdrohungen, die sie von einem Fan bekommen hatten. Als der Sicherheitsdienst Ji-Woon nicht finden konnte, schnüffelte sie herum. Es ist lächerlich. Die Drohungen waren nur eine List, ein Schreckgespenst, das er erschaffen hatte, um Yun von seiner Spur zu lenken, wenn sie ihm je zu nahe käme. Aber das hätte er erwarten sollen. Yun hat immer alles im Griff – das respektiert er an ihr, das macht sie zu einem guten Team. Er bringt die millionenschwere Stimme und sie löst jedes Problem auf ihrem Weg. Normalerweise nutzt ihm das.

In ihrer Hand hält sie ... nein, verdammt! Seinen Sampler. Er enthält sein persönliches Projekt, die Schreie seiner Mordopfer in Songs eingearbeitet. Es ist ein früher Entwurf ohne Feinheit. Die Gewalt und das Grauen noch etwas zu offensiv für schwache Gemüter. Sie ist angewidert. Konnte nicht über die ängstlichen Stimmen hinweghören, um die Schönheit im menschlichen Leid zu erkennen. Ji-Woons Nackenhaare sträuben sich. Er sieht den Moment mit klaren Augen: Sie tanzen auf einer Rasierklinge und Yun ist kurz davor zu entdecken, wer er wirklich ist.

ERINNERUNG 437[ | ]

IconHelp archivesLog Yun hält den Sampler, als würde er vor Blut triefen. Der einzige Trost in Ji-Woons Kopf ist, dass sie nicht versteht, was das wirklich ist. Er kennt sie. Würde sie glauben, dass die Geräusche von echten Morden stammen, hätte sie ihm in die Eier getreten und wäre davongelaufen. Aber die Wut ist immer noch in ihr, als sie seinem Gesicht näherkommt.

Was ist das für ein verrückter Horror-Scheiß? Was, wenn das ungewollt veröffentlicht wird? Du ziehst jetzt schon verrückte, gewalttätige Fans an. Wie würde es aussehen, wenn die Medien die wahnsinnigen Geräusche hören, an denen du arbeitest? Mightee One würde sich von dir abwenden. Deine Karriere wäre Geschichte.

Ji-Woon kennt ihre wahre Angst: Ihre Karriere wäre Geschichte. So erhaben sie auch dasteht, so stark sie auch zuschlägt, sie ist nichts als ein ängstliches Mädchen, das sich vor dem Scheitern fürchtet. Er weiß, wie er mit ihr umgehen muss. Er lässt seinen Kopf sinken, seufzt tief, wischt sich mit der Hand über die Augen.

Yun ... Seit dem Tod von No Spin ... dem Feuer ... Plagen mich schreckliche Gedanken. Ich habe meine Freunde verloren und ... Ich befürchte, ich verliere meinen Verstand. Ich sehe schreckliche Dinge, wenn ich die Augen schließe. Alles, was mich durch diesen dunklen Nebel führt, ist, meinen Schmerz in Geräusche zu verwandeln ... diesen Todeskampf in meinem Herzen in einen Song einfließen zu lassen.

Yuns Gesichtszüge werden sanfter. Sie setzt sich hin. Bemitleidet ihn. Tief in ihm hört er wieder die göttlichen Schreie seiner Bandmitglieder, als sie verbrannten, sein Herz ging auf, als sie seinen Namen schrien, aber in seinem Gesicht zeigt sich nur eine Grimasse ob der Tragödie.

Sie entschuldigt seine Fehleinschätzung. Konfisziert den Sampler. Bittet ihn, im Hotel zu bleiben, bis das Konzert vorbei ist. Es sei zu seinem Besten. Für seine Sicherheit. Sie rät ihm, sich ein Getränk aus der Minibar zu nehmen und sich zu beruhigen.

Er nickt leise und willigt ein. Er wird den Sampler in ein paar Tagen zurückstehlen. Er lässt sie glauben, sie hätte, was er hat: die Kontrolle.

ERINNERUNG 438[ | ]

IconHelp archivesLog Trotz der erdrückenden Feuchtigkeit versteckt sich Ji-Woon unter einem Hoodie, während eine große Sonnenbrille sein Gesicht verdeckt. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um Aufmerksamkeit von fanatischen Fans auf sich zu ziehen. Er wartet, bis Yun in einem Meeting ist, und spaziert aus dem Hotel, eine Tasche mit dem Nötigsten in der Hand. Das ist jetzt seine Show.

Er zieht Ohrhörer aus seiner Tasche und lässt sich von der Musik umgeben. Der Song: How I Became, vor sechs Monaten in Seoul aufgenommen. Er ist eine Metapher für seine Kindheit, die er eines betrunkenen Abends über alten Fotos geschrieben hat.

Er ist sieben Jahre alt. Er sitzt in der hinteren Reihe des Klassenzimmers. Er fühlt sich unwohl, wenn man ihn ansieht oder er reden muss. Aber heute ist es anders. In wenigen Minuten wird er seine Lieblingssache vorführen. Ein kleiner Junge zeigt der Klasse seinen Hamster, aber Ji-Woon ist das egal. Er hält seine Flöte und geht noch mal die Noten für das Lied durch, das er geschrieben hat.

Er schlurft nach vorne, legt seine schwitzigen Finger auf das Instrument. Nach einem tiefen, unruhigen Atemzug bläst er sanft einen Lufthauch aus und erschafft so eine leichte, verschmitzte Melodie. Er schließt seine Augen, bewegt seine Finger mit Bedacht und tanzt verspielt über jede Note. Er ignoriert das Quietschen des Hamsters. Das Geräusch der Flöte ertönt wie ein Glockenspiel im Wind. Nach der letzten zerreißenden Note lächelt er und öffnet die Augen. Seine Klassenkameraden drängen sich um das Nagetier und lachen über jede seiner Bewegungen. Auch seine Lehrerin.

Er geht zur Gruppe. Die Schüler reichen den Hamster herum, während dieser unaufhörlich quiekt. Er findet sich in Ji-Woons Handfläche wieder. Er nimmt ihn in beide Hände. Mit einer ruhigen Bewegung drückt er zu. Ein Kreischen. Ein leises Knacken. Kein Geräusch mehr. Die Kinder schreien. Ji-Woon fühlt nichts.

ERINNERUNG 439[ | ]

IconHelp archivesLog Sturmwolken überziehen den Himmel, als die ersten Regentropfen auf Ji-Woons Sonnenbrille fallen. Er atmet tief ein und bereitet sich auf das vor, was er in seinem Kopf abgespielt hat. Die Vorfreude zwingt ihn beinahe in die Knie. Die Freude des künstlerischen Prozesses.

Er geht zur Hecktür einer billigen Limousine aus den 80ern, blickt in beide Richtungen und bemerkt ein paar Ortsansässige auf den Straßen. Sicher, dass niemand ihn beobachtet, fädelt er einen aufgebogenen Kleiderbügel oben durch das Fenster und drückt ihn durch. Seine dünnen Finger arbeiten schnell. Seine Erfahrung mit Einbrüchen macht sich bezahlt. Er legt den Draht um die Türverriegelung und hebt sie hoch. Ohne zu zögern, rutscht er hinein, schließt die Tür und legt sich auf den Rücksitz. Er nimmt Hoodie und Sonnenbrille ab.

Aus seiner Tasche nimmt er sich Seil, Messer, ein staubiges Tuch und eine Flasche Chloroform. Er wartet. Nimmt seine Ohrhörer heraus. Hört ein Lied, das nicht seines ist. Eines, das er vor langer Zeit gehört hat.

Er ist acht Jahre alt. Er sitzt auf den Schultern seines Vaters und blickt über ein Meer menschlicher Körper. Eine aufwändige Bühne ist vor ihm, von bunten Scheinwerfern erhellt. Ein Mann in bunter, frecher Kleidung steht vor einem Mikrofon. Auf beiden Seiten ist ein Gitarrist und hinter ihm ein Schlagzeuger. Ein lautes Geräusch. Schöne, rhythmische Musik. Eine Stimme, die sich sanft durch die Melodie windet.

Sein Vater schreit etwas, aber er kann es nicht hören. Schreit wieder.

Das wirst du tun. Dorthin wird dich dein Talent führen.

Er fühlt ein Kribbeln und sieht etwas Unglaubliches: alle verzaubert, ganz konzentriert auf das Lied eines einzelnen Mannes. Die Emotionen Tausender werden von seiner Stimme gelenkt. Er wird von allen gesehen, wird geliebt und ist wundersam.

Ji-Woon spielte seine Flöte nie wieder. Er schwelgte in Klängen, die ein weltweites Publikum erreichten, die schreiende Fans anlockten, die Frauen und Männer in Idole verwandelten. Seine Kindheitsangst verschwand, als er lernte, sich durch die Vielschichtigkeit und Flexibilität des Pop zu zeigen, seine inneren Gedanken ritten auf Schallwellen und vermischten sich mit anderen Genres: Rock, Hip Hop, Jazz, Punk. Die Musik konnte ihm den explodierenden Ruhm verschaffen, den er verdient hatte, ein Versprechen, dass er nie in den Hintergrund gedrängt werden würde. Er war nicht mehr in seinem schüchternen Panzer eingesperrt. Er zeigte sich durch seine Beherrschung der Musik, ließ sein Herz in Geräusche fließen. Er wurde beneidet, begehrt und respektiert für die Hits, die aus seinen Lungen drangen.

Er nimmt die Ohrhörer in die Hand und lächelt. Wie wunderbar, wie ein Junge zu einem Gott wurde.

ERINNERUNG 440[ | ]

IconHelp archivesLog Regen prasselt laut auf das Autodach. Ji-Woon sieht auf die Uhr. An jedem anderen Tag wäre Lucas bereits in seinem Auto. Das weiß er, er hat seine Hausaufgaben gemacht. Aber Lucas ist spät dran und Ji-Woon fragt sich, ob der Sturm seine Pläne geändert hat.

Er fühlt, wie ihm die Kontrolle entgleitet und durch etwas anderes ersetzt wird. Es drückt gegen seine Brust. Zwingt ihn dazu, nach Luft zu schnappen, schwer und klebrig in seinen Lungen. Alles ist zerstört. Er krallt seine Nägel in den Autositz, zwingt seinen Mund zu, damit er nicht schreit. Die ganze Planung für nichts. Er hat keine Zeit mehr, eine zweite schöne Stimme zu finden, bevor er Brasilien wieder verlässt. Schnell ... Er braucht Musik, sucht nach seinen Ohrhörern, lässt sie fallen, sucht hektisch. Das einzige Lied, das er hört, sind Zähne, die laut knirschen. Als er sich bereitmacht, umzukehren, sieht er ihn. Lucas, vom Regenguss durchnässt, geht zur Tür an der Fahrerseite.

Reiß dich zusammen. Die Show beginnt gleich.

***

Ji-Woon packt Lucas’ Hals im Würgegriff und drückt ihm das mit Chloroform durchtränkte Tuch ins Gesicht. Die beiden kämpfen in einem wilden Kampf. Lucas windet sich von Seite zu Seite, greift nach hinten, um irgendwas zu erwischen. Ji-Woon widersteht der Bewegung und hält den Mann mit ganzer Kraft fest. Regen stürzt herab und dämpft den Kampf mit dem Klopfen hunderter Tropfen und verbirgt das Draußen hinter einer Windschutzscheibe voll strömendem Wasser. Lucas schnappt nach einem Haarbüschel und zieht Ji-Woon vorwärts, befreit sich aus dem Würgegriff. Er beißt fest in Ji-Woons Handgelenk, bis es blutet. Ji-Woon schreit durch zusammengebissene Zähne, drückt das Tuch fester in Lucas’ Gesicht, bis er ihn damit besiegt. Lucas schlägt mit seinem anderen Arm verzweifelt um sich und sucht ohne Plan nach einer Lösung. Seine Hand entspannt sich und lässt Ji-Woons Haare los. Er sackt nach vorne zusammen, trifft mit seinem Kopf das Lenkrad und betätigt die Hupe.

Ji-Woon eilt über den Sitz und drückt Lucas’ schlaffen Körper auf die Beifahrerseite. Er lehnt sich zurück und nimmt sich einen Moment Zeit, um zu Atem zu kommen. Er sieht in den Rückspiegel, überprüft sein Gesicht, seine Haare und sieht durch eine Regenschicht einen Anblick, den er nie erwartet hätte: Yuns Auto reiht sich hinter ihm ein.

Er schnappt sich die Schlüssel aus Lucas’ Tasche, rammt sie in die Zündung und steigt aufs Gas.

ERINNERUNG 441[ | ]

IconHelp archivesLog Lucas’ schlaffer Körper wackelt auf dem Beifahrersitz vor und zurück. Die Geschäfte an den Straßen und besprayte Mauern verschwimmen, als Ji-Woon um eine Ecke biegt. Wind und Regen greifen die Stadt an, als wären sie versessen darauf, sie auseinanderzunehmen. Ji-Woon vergisst seinen Plan. Normalerweise lässt er Yun seine Probleme lösen, aber jetzt ... ist alles falsch. Er erkennt die Straßen nicht, durch die er rast, hat nur eine vage Idee von der Richtung. Yun bleibt auf seinen Fersen. Sie weiß nicht, wann sie aufhören soll. Die Hartnäckigkeit und der Mut, die beim Ausverhandeln seines Plattenvertrags so nützlich waren, sind jetzt ärgerlich. Er verliert die Kontrolle über seinen künstlerischen Prozess. Seine Hände umfassen das Lenkrad. Er würde es von der Lenksäule reißen, wenn er das könnte.

Nein ... nein! So wird das nicht enden. Du musst Kunst machen, verdammt.

Er schaltet das Radio ein. Zwei Männer sprechen über ... etwas. Er weiß es nicht. Er wechselt die Kanäle – eine Werbung für ein Fast-Food-Restaurant. Er erkennt den Jingle wieder. Sucht weiter, landet – endlich – auf brasilianischer Tanzmusik. Schnelles Tempo, schwerer Bass, hämmernde Gitarrenklänge und eine ruhige Stimme.

Er drückt das Gaspedal durch und weicht ein paar Kindern aus, die im Sturm spielen. Rast an einem alten Pickup vorbei und betet, dass ihm niemand entgegen kommt. Lenkt abrupt nach links, verliert beinahe die Kontrolle im tiefen Wasser, aber findet sich schließlich perfekt in der Kurve wieder. Gibt Gas, als der Song beim Refrain angelangt ist. Vertraut auf die Musik. Schaltet mit dem Tempo. Rutscht mit den Riffs. Fühlt die Schönheit in allem, was er tut. Musik durchströmt ihn. Er ist lebende Kunst. Er ist das Crescendo.

Hinter ihm kommt Yuns Auto krachend zum Stillstand.

Es ist egal. Die Musik geht weiter.

ERINNERUNG 442[ | ]

IconHelp archivesLog Ji-Woon erreicht den Hafen, den er vor Tagen gefunden hat. Widerwillig schaltet er das Radio ab und sieht sich im Gebiet um. Kein Anzeichen von Yun hinter ihm, aber er bleibt wachsam. Irgendwie wusste sie, wie sie ihn findet. Er holt sein Handy heraus ... das Firmenhandy von Mightee One.

Sie verfolgt mich wie eine übereifrige Babysitterin. Das hätte ich von ihr erwarten sollen ... sie braucht immer Kontrolle.

Aber sie konnte nicht wissen, dass er mit dem Auto gefahren ist, nur, dass er darin war.

Ji-Woon zieht Lucas heran, der kaum bei Bewusstsein ist, und drückt ihm eine Klinge in den Rücken. Bevor er die Tür schließt, nimmt er sein Handy und schreibt Yun eine einfache Nachricht: HILFE. Er wirft das Gerät auf den Autositz mit dem Chloroform getränkten Tuch und einem Seil. Hm, fehlen noch Beweise. Er schneidet sich in die Hand und drückt eine blutige Handfläche gegen das Fenster. Das sollte reichen.

Mit einem Messerstoß drückt er Lucas weiter.

***

Donner erschüttert das Gerüst des verlassenen Lagers. Lucas sitzt vor Ji-Woon, an einen Sessel gefesselt, bereit, geschlachtet zu werden, zu singen, Schönheit zu erschaffen. Ji-Woon zieht sein Messer heraus, aber ... zögert. Etwas stimmt nicht. Sein Weg hierher war zu chaotisch. Er möchte in seine Kunst eintauchen, das Blut strömen lassen, aber Yun hat ihn aus dem Konzept gebracht. Er wird das Gefühl nicht los. Er weiß, dass sie nicht einfach aufgibt ... oder gar nicht. Er geht zu einem Fenster und sieht hinaus. Endloser Regen. Blitze. Und da, wie eine ertrunkene Ratte, die durch die Kanalisation schleicht – Yun. So verdammt hartnäckig. Und weiter dahinter ... die Lichter eines Polizeiautos. Yun ist in ein blutiges Spiel hineingestolpert und hat die Macht, ihn in einem Zug zu besiegen.

Er sucht in seinen Taschen nach seinen Ohrhörern. Er findet sie nicht. Er kann sich nicht konzentrieren. Er fühlt, wie ihm der Plan entgleitet. Sieht das Ende für seine Kunst. Die Musik – unterbrochen. Seine Vision – unvollendet.

Nein ... Er kann es nicht enden lassen. Er hört die Musik. Sie war immer da. Er sitzt auf den Schultern seines Vaters, ist erfüllt von ihr. Er atmet sie ein. Sie pulsiert in seinen Adern. Wird er. Er wird nie wieder der Junge sein, der er mal war. Er ist ein Idol. Er ist ein Gott. Er ist der Trickster. Und er hat noch einen Trick vor sich ...

Netz des Abgrunds: Logs, Geschichten und Notizen[ | ]

Terra Arachna. Tag 987.[ | ]

IconHelp archivesLog Heute war es knapp. Ich kam in Kontakt mit den Arachnen, als ich mehrere Versionen des Toxins testete. Die Ärztin sah sie durch das Fenster kommen und befahl mir, alles zurückzulassen. Sie meinte, wir würden ins Labor zurückkehren, wenn die Arachnen fort wären und es wieder sicher wäre. Wir haben immer noch kein Toxin gefunden, das tödlich genug wäre, diese schrecklichen Kreaturen auszulöschen, aber ich habe das Gefühl, dass wir nah dran sind. Sehr nah dran. Wenn wir eine Ahnung über ihre Herkunft hätten, würde das helfen. Bisher wissen wir immer noch nicht, woher sie gekommen sind und was sie wollen. Wir wissen nur, dass die Angriffe zur selben Zeit begonnen haben. Unsere Untersuchungen werden von der Tatsache erschwert, dass ihre DNA ganz anders ist als alles, was wir jemals gesehen haben. Es ist, als ob ... Es ist, als ob sie von einem anderen Ort gekommen wären ...

Terra Arachna. Tag 992.[ | ]

IconHelp archivesLog Als ich heute ins provisorische Labor zurückkehrte, fand ich Dutzende Menschen, die in Seide von der Decke hingen. Blut tropfte in klebrige Pfützen direkt unter ihnen. Ich versuchte, nicht hinzusehen, als ich die Kiste mit Toxinen nahm, die wir zurückgelassen hatten. Aber als ich die Kiste in den Gang trug, fiel mir aus dem Augenwinkel auf, dass sich eine dieser Hüllen bewegte. Ich zwang mich, hinzusehen, und erkannte sehr schnell, dass in diesen Hüllen keine Nahrung war, sondern etwas anderes. Es war klar, dass sich etwas im Kokon bewegte und wuchs. Etwas nährte sich an den tropfenden Körperteilen, die darin eingewickelt waren. Das knurrende Wesen im Kokon versuchte, auszubrechen, und ich eilte sofort aus dem Labor, so schnell wie mich meine zitternden Beine tragen konnten. Das Letzte, was ich wollte, war mich der neuesten Arachna-Entwicklung zu stellen. Die Arachnen mutieren schneller, als wir sie töten, und das richtige Toxin zu finden ist unsere einzige Chance, um zu überleben. Hoffen wir, dass der Ärztin und mir das gelingt, bevor es zu spät ist.

Terra Arachna. Tag 998.[ | ]

IconHelp archivesLog Dr. Morell und ich arbeiteten drei Tage lang unermüdlich und fanden einen Kandidaten für die Massenproduktion. Toxin HJ7 tötete 100 Prozent der Arachnen-Exemplare in weniger als einer Minute. Eine Dosis und die Geschöpfe zersetzten sich zu einer dicken Pfütze blubberndem, schwarzem Teer, der sich schnell in einen giftigen Nebel auflöste, der die anderen Arachnen tötete, die wir für unsere Experimente gefangen hielten. Ich denke, die Ärztin war genauso schockiert und fasziniert von diesem Ergebnis wie ich. Auch wenn es stimmt, dass wir nicht wissen, wo diese Monster herkamen, haben wir nun eine Möglichkeit, sie auszulöschen. Die Ärztin und ich suchen derzeit nach Wegen, Proben des Toxins zu anderen Überlebenden zu bringen. Der Büroarbeiter, der zum Koch geworden war, meldete sich freiwillig, aber Dr. Morell wählte ein paar andere unpassende Kandidaten. Sie meinte, er hätte schon einige Aufträge vermasselt. Ich für meinen Teil halte das für eine Ausrede. In Wahrheit ... würde sie seine Kochkünste vermissen ... seine Pizza. Die erinnert sie an bessere Tage, vor der Invasion. Uns alle, nehme ich an.

Blutkammer. Die Geschichte, die folgt.[ | ]

IconHelp archivesLog Constable Duncan J. Smith berichtete, dass tausende Hunde ihn überallhin verfolgten, aber sonst sah sie niemand. Um den Hunden zu entkommen, versteckte er sich im Kriechkeller unter seiner Hütte oder in dem Schuppen, in dem sein Schneemobil stand. Manchmal entkam er auch zu den Gletschern und versteckte sich in Eishöhlen, in denen er betete, dass das Heulen und das Jaulen und das Winseln endlich aufhörten. Aber das Heulen und das Jaulen und das Winseln hörten nie auf. Und egal, wo er sich versteckte, die Hunde fanden ihn immer.

Der erste Tag, an dem Duncan die Hunde sah, war der Tag, als er begann, seinen Job zu hinterfragen. Oder besser gesagt: Der Tag, an dem er begann, das Gesetz zu hinterfragen und was er damit tat. Da war etwas daran, Hunde legal zu ermorden, das sich nicht richtig anfühlte ... das sich ... falsch anfühlte ... etwas, das ihn beschäftigte und nicht mehr losließ ... etwas, das ihm sagte, dass er den kalten, einsamen Arktischen Archipel verlassen musste, bevor es zu spät war. Wenn es nicht bereits zu spät war.

Für Duncan war es das erste Mal in seiner Karriere als Polizeibeamter, dass er einsah, dass das Gesetz nicht immer das verherrlichte Werkzeug der Zivilisation war, für das er es immer gehalten hatte. Manchmal war das Gesetz etwas anderes. Etwas Ungehobeltes. Etwas Hartes. Etwas fast wie ein Hammer ... ein Hammer der Zerstörung oder der Unterdrückung oder vielleicht von beidem: Zerstörung und Unterdrückung.

In Wahrheit war sich Duncan nicht mehr sicher, was er denken sollte. Er war erschöpft und die Hunde ... na ja, die Hunde wollten ihn einfach nicht in Ruhe lassen und er wollte nur noch heimkehren und seine Farm bewirtschaften. Er arbeitete gern auf der Farm. Auf der Farm waren die Dinge einfacher. Aber hier im Norden waren die Dinge komplizierter. Und Duncan musste über das Gesetz nachdenken.

Über den Hammer.

Und das Letzte, das Duncan tun wollte, war, den Hammer gegen jemanden einzusetzen. Und doch – und das bereute er stets – hatte er ihn gegen die Hunde verwendet.

Und obwohl er alles nach Vorschrift gemacht hatte ... und obwohl er laut Gesetz kein Verbrechen begangen hatte ... war sein Herz vom Gegenteil überzeugt.

Natürlich hatte Duncan unzählige Hunde zum Zwinger gebracht, wo er sie wie Ungeziefer vor ihren Besitzern erschossen hatte. Und nur, wenn er allein mit ihren Geistern war, gestand er sich selbst ein, dass das, was er getan hatte, sich nicht richtig anfühlte und dass vielleicht ... ja, nur vielleicht ... diese Hunde gar nicht die gefährlichen Bestien oder die kranken Ratten waren, als die sein Captain sie hingestellt hatte. Sie waren … nun ja … sie waren etwas anderes.

Sie waren Freunde.

Sie waren Familienmitglieder.

Sie spielten mit Kindern, unterhielten und beschützten sie. Sie warnten vor nahenden Wölfen und Eisbären und sogar Schneestürmen. Und sie stellten sicher, dass kein Jäger sich jemals im Schneesturm verirrte, nicht wie diese unzuverlässigen „Eisernen Hunde“ oder Schneemobile, die mitten im Nirgendwo den Geist aufgaben und eine Spur schwarzen Rauchs in der kalten, weißen, endlosen Weite hinterließen. Kein „Eiserner Hund“ führte jemals jemanden aus einem Schneesturm. Das Selbe ... also ... das Selbe konnte man nicht über die Hunde sagen ...

... die Hunde, die er so herzlos vernichtet hatte.

Aber in jenen Tagen, als die Produktion des ersten kommerziellen „Eisernen Hunds“ begann, gab es wenig Anfechtungen gegen das Gesetz und so versuchte Duncan sich davon zu überzeugen, dass er tat, was für alle gut und rechtmäßig war.

Und auch wenn es wahr ist, dass der Verstand keinen Unterschied zwischen dem Richtigen und dem Rechtmäßigen macht, so macht das das Herz sehr wohl.

Das Herz lügt nicht, wie es so oft heißt.

Trotzdem fand Duncan Wege, sich selbst hereinzulegen und die Einsprüche seines Herzens zu ignorieren. Er sagte sich, dass diese Hunde nicht wie andere Hunde wären, und er glaubte diese Lüge tatsächlich für einige Monate. Aber als die Zeit verstrich, verstand er sehr schnell, dass diese Hunde ... nun ja ... wie die Hunde waren, die er zu Hause kannte.

Mit diesem Wissen fiel ihm das Einschlafen immer schwerer und bald bekam er Halluzinationen und sah alle Hunde, die er erschossen hatte.

Zuerst war es nur einer. Dann waren es zwei. Dann ein Dutzend. Dann wurden aus einem Dutzend hundert. Und aus hundert wurden tausend. Tausend tote Hunde heulten und starrten Duncan jede Nacht an und hielten ihn so davon ab, einzuschlafen, zu träumen, zu denken. Sie hielten ihn davon ab, das Leben zu leben, das er einst kannte.

Wo Duncan auch hinging, da waren sie, die Hunde, und sahen ihn mit diesen Augen an – diese bittenden, verwirrten Augen, die sich fragten, was sie falsch gemacht hatten, oder wie sie ihre Familie und Freunde enttäuscht hatten, um so ein kaltes, gleichmütiges Ende verdient zu haben.

Die Wahrheit war, Duncan konnte diesen Geistern so wenig entkommen, wie ein Hund seinen eigenen Schwanz loswerden konnte. Wo er auch hinging, da waren sie, folgten ihm und erinnerten ihn an all die Leben, die er beendet und zerstört hatte mit ... nun ja ... mit einem Richterhammer.

Eines Abends saß Duncan im Bett, hielt seinen schmerzenden Kopf in den Händen und starrte die verwesenden Hunde an, die um ihn herum saßen. Sie beobachteten ihn genau, während er versuchte, einzuschlafen, und heulten oder bellten jedes Mal, wenn seine Augenlider zufielen. Duncan zitterte vor Angst und Erschöpfung und murmelte, dass er nichts falsch gemacht hatte, dass er gemäß den Gesetzen gehandelt hätte und dass sie ihn in Ruhe lassen sollten. Aber ...

Die Hunde ließen ihn nicht in Ruhe. Sie starrten ihn nur schweigend mit diesen Augen an. Diese Auge, die ihn an seinen eigenen Hund erinnerten.

Qualvoll taumelte Duncan von seinem Bett, schrie die Hunde an und sagte ihnen, dass er schlafen musste, und dass er sich nicht schuldig dafür fühlen würde, seinen verdammten Job gemacht zu haben! Er weigerte sich, sich zu entschuldigen oder sich schuldig zu fühlen, für das, was das Gesetz von ihm verlangte. Was das Gesetz vorschrieb, musste er tun!

Plötzlich bewegten sich die Hunde ängstlich in der Hütte herum, mit gesenkten Köpfen und dem Schwanz zwischen den Beinen. Duncan schrie immer lauter und einer nach dem anderen begannen die Hunde zu winseln und um ihr Leben zu weinen, wie sie es bei ihrer Vernichtung getan hatten. Und dann – einfach so – lösten sie sich in Luft auf, als hätte Duncan sie endlich vertrieben.

Als Duncan erkannte, dass die Hunde fort waren, fiel er auf sein Bett und betete, dass sie ihn endlich in Ruhe lassen würden. Er wollte nur sein Leben wieder haben, denn die Hunde hatten ihm jede Kraft und seine Freiheit geraubt und sogar seine Identität als moralisch einwandfreier Mann des Gesetzes.

In dieser Nacht zog ein Sturm auf und blies um seine kleine Hütte. Duncan fühlte, wie ihn die Kälte erfasste, stieg aus dem Bett und zündete ein kleines Feuer im Ofen an. Dabei dachte er an seinen ersten und einzigen Hund, Buster, ein pummeliger gelber Labrador Retriever mit schwarzer Schnauze.

Der klügste, freundlichste und wärmste Hund, den er je kennengelernt hatte.

Für Duncan war Buster mehr als nur ein Hund. Er war sein Beschützer, sein Vertrauter, sein bester Freund. Er war der Bruder, den er niemals hatte. Er fing Nagetiere, beschützte ihn vor Kojoten und hütete die Rinder auf der Farm. Sein Vater pflegte zu sagen: „Ein guter Hund ist so gut wie zwei oder drei Farmarbeiter.“ Und Buster war eindeutig so gut wie vier. Als er jetzt darüber nachdachte, war er froh, dass niemand das Gesetz gegen Buster oder einen anderen Hund in seiner Stadt eingesetzt hatte.

Sicher, Buster war nicht so groß und stark wie diese arktischen Hunde, aber er war ein guter Jäger und hatte seinen Besitzer sogar schon einmal vor einem Bärenmarder gerettet. Aber woran Duncan sich am besten erinnern konnte, war, dass Buster sich neben ihm ins Bett gelegt hatte, um sein nervöses Herz zu beruhigen und ihm zu helfen, wegzudösen.

Und nun sehnte sich Duncan nach nichts mehr als nach dem ungestörten, ruhigen Schlaf der Jugend. Und während er sich nach Schlaf sehnte, blies der Wind stärker und heftiger durch die Spalten seiner Hütte. Das Feuer loderte und flackerte und warf dabei heftige Schatten, die Geschichten zu erzählen schienen.

Duncan rieb sich die Augen, um die Halluzinationen zu vertreiben. Aber wo er auch hinsah, nahmen die Schatten die Gestalt von Beamten und Jägern an, die verwirrte und verängstigte Hunde erschossen, während dichter, unnatürlicher schwarzer Rauch die Hütte füllte.

Duncan kniff sich, um sich aufzuwecken. Aber als er einsah, dass er nicht schlief, schloss er schnell seine Augen und bat die Hunde noch einmal, ihn in Ruhe zu lassen.

Er wollte eine Nacht Ruhe. Nur eine Nacht! Sein Hirn wankte vor Verzweiflung und er begann, die verzerrte Stimme seines Captains zu hören, der ihn auslachte, ihn anschrie, ihn drangsalierte, ihm einbläute, dass die Hunde gefährlich wären ... aggressiv ... eine Bedrohung für ihre Zukunftspläne.

Duncan fühlte, wie Wahnsinn nach seiner Seele griff. Er schrie, dass das Lügen waren! Alles! Und als er seine Augen wieder öffnete, war der schwarze Rauch verschwunden und die Schatten waren wieder bedeutungslose Formen, die an der Hüttenwand flackerten.

Aber gerade als Duncan erleichtert seufzte, hörte er ein Geräusch.

Ein leises kratzendes Geräusch. An der Tür. Dann hörte er ein Bellen, das ihm irgendwie bekannt vorkam. Das Bellen ertönte immer wieder und es klang wie ...

Buster.

Duncan verengte seine Augen und näherte sich vorsichtig der starken Holztür. Das Kratzen hörte auf, als er mit der Hand den Türknauf berührte. Still stand er einen langen, angespannten Augenblick da. Als das Kratzen wieder zu hören war, öffnete er die Tür schnell und erhaschte einen kurzen Blick auf gelbes Fell, das hinter dicken Schichten fallenden Schnees verschwand.

Erschöpft und verwirrt eilte Duncan in den tobenden Sturm in Unterwäsche und Hausschuhen und rief Buster zu, auf ihn zu warten. Plötzlich blieb er stehen, als er einsah, dass er unvernünftig war. Sein müder Geist spielte ihm Streiche.

Buster war seit über zwanzig Jahren tot. Er wurde von einem Auto überfahren. Einen kurzen Moment lang erinnerte sich Duncan daran, wie er seine Pfote am Straßenrand hielt und ihn beruhigte, während das Leben ihn langsam verließ. Er hatte noch nie in seinem Leben so viel geweint. Es war unmöglich, dass Buster noch bei ihm sein konnte.

Von Schnee bedeckt redete sich Duncan ein, dass ihm die Einsamkeit wohl zu schaffen machte und dass er nur eine Nacht ungestörten Schlafs brauchte. Er wandte sich zu seiner Hütte um. Aber als er sich umdrehte, erkannte er ...

... dass er sich verlaufen hatte.

Er konnte keinen Zentimeter weit sehen. Kälte und Panik erfassten ihn gleichzeitig. Er drehte sich immer wieder um, als der Wind heulte und kreischte und wimmerte. Im wütenden Schneesturm konnte er nur eins ausmachen:

Hunde.

Geisterhafte Hunde. Tote und verwesende Hunde. Tausende von ihnen. Sie liefen um ihn herum. Knurrten. Heulten. Bellten. Verwirrten ihn.

Duncan schrie sie an, aufzuhören, und versuchte, sie zu vertreiben wie vorhin. Aber die Hunde wurden immer schneller und wütender, als wären sie eins mit dem Sturm.

Duncan fiel auf seine Knie und fühlte, wie sich die Kälte überall in seinen zitternden Körper schnitt. Sein Gesicht verzog sich vor Angst, als jeder Hund aus dem Sturm sprang und mit kalten, gleichmütigen Zähnen einen Bissen von ihm nahm. Voller Qualen fiel er auf die Seite. Eine schreckliche Taubheit erfasste ihn, weniger wegen der Kälte, sondern wegen der Erinnerung an den Schmerz, den er all diesen armen Hunden zugefügt hatte. Er flehte sie an, aufzuhören, und dann tat er etwas, was er noch nie zuvor getan hatte.

Er gestand seine Schande und flehte um Vergebung.

Sofort blieben die Hunde stehen und starrten ihn mit Augen an, die direkt in sein Herz zu blicken schienen.

Duncan murmelte, dass es ihm leid tat, dass es ihm wirklich leid tat, und dass er alles falsch gemacht hatte, auch wenn er alles nach Vorschrift getan hatte. Er hatte ihnen Unrecht getan. Er hatte ihren Familien Unrecht getan. Und er hatte sich selbst Unrecht getan.

Als er sein Herz ausschüttete, hörte er ein vertrautes Bellen, als Buster plötzlich aus dem geisterhaften Rudel hervortrat und vor ihm stand.

Die Hunde sahen Buster an, dann Duncan und dann wieder Buster. Eine Welle des Friedens schien über sie hinwegzurollen, als sie einer nach dem anderen verschwanden und Duncan mit seinem Beschützer ... seinem Freund ... seinem Bruder allein ließen. Und Buster legte sich neben Duncan, als dessen Herz langsam aufhörte zu schlagen und der blendende weiße Sturm sein Leben davon wehte wie so viele andere.



Als Constable Duncan J. Smith am nächsten Tag nicht in der Wache erschien, suchten seine Kollegen ihn und fanden seine erfrorene Leiche keine drei Meter von seiner Hütte entfernt. Er lag auf der Seite mit einem friedlichen Gesichtsausdruck. Einem Beamten fiel auf, dass er im Kreis herumgelaufen war, während sich die anderen fragten, warum er so dumm gewesen war, seine Hütte mitten in einem Schneesturm nur in Unterwäsche zu verlassen.

Der Captain kniete sich neben Duncans gefrorenes, blaues Gesicht und seufzte. Gerade, als er jemandem auftrug, die Leiche zu bedecken, verfiel ein anderer Beamter in Panik, rieb sich die Augen und behauptete, Hunde um ihn herum zu sehen. Er taumelte zurück und schrie, die Hunde sollten sich von ihm fernhalten. Niemand sah, was er sah, und der Captain bat ihn, keine Witze über Duncan zu reißen. Aber der verzweifelte Beamte kreischte vor Angst und schwor, dass die Hunde echt waren und ihn verfolgten.

Arcus 2921[ | ]

IconHelp archivesLog Einige Zivilisationen brechen zusammen, weil sie auf Wissen stoßen, für das sie noch nicht reif genug sind. Andere Zivilisationen brechen aufgrund von Naturkatastrophen zusammen. Und wieder andere Zivilisationen erhalten einen kleinen Schubs ... einen kleinen Stoß ... über die Klippe. Ich habe die letzten Tage unzähliger Welten erforscht ... habe mir die Erinnerungen so vieler Überlebender angesehen ... und ich kann sagen, dass der Entitus die Welt nicht nur verdirbt und verzehrt ... irgendwie zapft er unsere kollektiven Ängste an und gönnt sich ein wenig Spaß. Aus meinen Beobachtungen schließe ich, dass sich der Entitus Zeit nimmt, Seelen von einem Buffet des Elends auszuwählen, während er die perfekte Zerstörung ersinnt, als wäre ... als wäre die Apokalypse eine Art Kunstwerk ... eine Art Meisterwerk. Ich verstehe, dass das allem widerspricht, was ich zu Hause über die Uralten gelernt habe. Aber ich kann nicht leugnen, dass all die Geschichten und Erinnerungen, die ich erforscht habe, einen freiwilligen und nicht unfreiwilligen Willen zur Erschaffung und Zerstörung durch diesen Uralten andeuten. Derzeit ist alles noch Spekulation, aber das letzte Reich, das sich im Keller geöffnet hat, ließ mich die Terra Arachna besuchen, in der ich den Untergang der Welt durch gewaltige, spinnenähnliche Tiere bezeugen konnte. Monster, die nur der Entitus erschaffen hätte können. Ich wollte nicht, dass irgendwelche dieser Geschöpfe in den Turm entwischen, und habe schnell ein Symbol in die Kellertür geritzt, um das Reich verschwinden zu lassen. Dann öffnete ich die Tür, um sicherzugehen, und alles, was von der Apokalypse übrig war, war ein kleiner, leerer Raum, der von Staub bedeckt war. Aber als ich den Raum betrachtete, dachte ich, ich würde ein Zwitschern in den Gängen hören. Ich schluckte schwer und durchsuchte den Turm vorsichtig, um sicherzustellen, dass nichts entkommen war. Ich habe darin nichts gefunden, aber Geräusche draußen stören meinen Schlaf und ich bin sicher, dass ich gesehen habe, wie sich Dinge im Nebel bewegen.

Glyphen[ | ]

Lila Glyphen[ | ]

Lupe Hauptartikel: Glyphen

Foliant IX - Crescendo führte Herausforderungen mit lila Glyphen ein.

  • Wird eine solche Herausforderung ausgewählt erscheint eine lila Glyphe in der Prüfung mit welcher der entsprechende Überlebende kommunizieren muss um Fortschritt in dieser Herausforderung zu erzielen.
  • Die Glyphensucher Herausforderung ist nur für Killer verfügbar. Lila Glyphen bewegen sich zufällig durch das Reich und hinterlassen nur einen Schweif hinter sich wodurch der Killer die Glyphe finden kann.

Kurzfilme[ | ]

Yun-Jin Lee: Chor der Lügen Ji-Woon Hak: Missklang für die Toten Netz des Abgrunds: Logs, Geschichten und Notizen

Belohnungen[ | ]

Durch das Abschließen der entsprechenden Aufgaben der vier Stufen im Foliant erhält der Spieler folgende Glücksbringer:

Bild Name Beschreibung Stufe
HU 001 Universeller Stillstand Das Modell des Beobachters von einem Universum ohne Auraenergie. STUFE I
HU 002 Universeller Katalysator Das Modell eines Universums, das Auraenergie zum Vorschein bringt. STUFE II
HU 003 Universelles Chaos Ein Modell, das ein buntes Universum voll dem Chaos des Lebens, des Tods und der Existenz dazwischen zeigt. STUFE III
HU 004 Universelles Ende Das Modell eines Universums, das sich selbst verschlingt. Auf seltsame Weise schön. STUFE IV

Trivia[ | ]

  • Foliant 9 ist der erste und aktuell einzige Foliant dessen Logo anstatt weiß farblich gestaltet ist.

Trailer[ | ]

FOLIANTEN IN DEAD BY DAYLIGHT
FOLIANTEN

Foliant 1 - Das Erwachen Foliant 2 - Abrechnung Foliant 3 - Eskalation Foliant 4 - Verurteilung Foliant 5 - Entfesselt Foliant 6 - Abweichung Foliant 7 - Verlassen Foliant 8 - Befreiung Foliant 9 - Crescendo Foliant 10 - SAW Foliant 11 - Hingabe Foliant 12 - Uneinigkeit Foliant 13 - Boshaftigkeit Foliant 14 - Verrat Foliant 15 - Aufstieg Foliant 16 - Existenz Foliant 17 - Engagement Foliant 18 - Korrektur Foliant 19 - Pracht Foliant 20 - Mythisch

EVENTFOLIANTEN Eventfoliant 1 - Der Mitternachtshain Eventfoliant 2 - Unheimliche Maskerade Eventfoliant 3 - Spuk in Dead by Daylight Eventfoliant 4 - Kalt bis auf die Knochen Eventfoliant 5 - Unheimliche Maskerade Eventfoliant 6 - Heiße Grillparty Eventfoliant 7 - Spuk in Dead by Daylight Eventfoliant 8 - Kalt bis auf die Knochen Eventfoliant 9 - Blutmond
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